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PARALLEL VIENNA
Art Fair
SHIMMER
Eine Präsentation mit Francesca Aldegani, Dagmar Höss, Jonathan Podwil und Hannah Stippl
11.9. - 15.9. 2024
Past Projects
Behind the Blue
Ausstellung
Künstler:innenvereinigung MAERZ
6.2. - 28.2. 2024
Artist in Residence Cesky Krumlov
1.8. - 31.8. 2023
It’s complicated
Überlegungen zur Werkserie von Dagmar Höss
Jasmin Haselsteiner-Scharner/ Johanneum Graz
Signifikant für die Arbeiten von Dagmar Höss ist ihre Auseinandersetzung mit dem oft weiblichen Körper, Kleidungsstücken und ihrer gesellschaftlichen Konnotation, sowie kritischen, teils historischen Textpassagen. Dabei sind Fotografie, Siebdruck oder Schablonentechnik, ebenso Ausdrucksmittel wie die direkte Bearbeitung von Textilien.
In der 2019 bei einer Residency in New York begonnenen fotografischen Arbeit „It’s complicated“ thematisiert sie anhand von Shapewear und den darauf gestickten, selbstkritischen Gedankenfragmente wie sehr unser Denken gesellschaftlichen Zwängen unterlegen ist.
Die Künstlerin war insbesondere in den USA mit einer ungeheuren Dimension an so genannter Shapewear konfrontiert: Unterwäsche, in allen möglichen Hautnuancen erhältlich, die sich wie eine zweite Haut an den Körper legt, um diesen in scheinbar perfekte Proportionen zu bringen und an die Stelle der ersten, realen Haut zu treten. Sie verspricht die perfekte Figur, modelliert und straft nahtlos, quasi unsichtbar, kaschiert und versteckt, pusht und betont. Dabei ist diese Tradition des Bodyshapings eine historische: Eng geschnürte Korsetts für Wespentaillen waren spätestens im 16. Jahrhundert in Mode, erreichten ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert und verloren erst im Zuge der ersten Frauenbewegung und den Reformkleidentwürfen im frühen 20. Jahrhundert an Bedeutung. Diese einengenden Korsette versteht Dagmar Höss als Metapher für unser, gesellschaftlichen Normen unterworfenes, oft anerzogenes Denken, das dadurch eine ebensolche Einschränkung erfährt. Ihre kritischen inneren Monologe sind daher geprägt von starker Verunsicherung.
Durch direkt auf die Kleidungstücke applizierte Textpassagen werden persönliche Gedanken visualisiert. Dafür verwendet die Künstlerin die historische Technik des Stickens, die sich speziell im 19. Jahrhundert zu einer vornehmen, bürgerlichen Tätigkeit entwickelte. Vor allem Frauen zugeschrieben, symbolisierte sie Häuslichkeit, Fleiß und Anstand. Im Gegensatz zu den damals hübschen Bildmotiven, wird die händische Stickarbeit hier auf reinen Text reduziert. Durch die herunterhängenden Fäden und das Belassen des klassischen Stickrahmens am Kleidungsstück, kontrastiert dieses „Unfertige“ mit der glatten, perfekten Oberfläche des Stoffes. Der historisch konnotierte Begriff des (distanzierten) Anstands wird durch die Kameraperspektive in Intimität und vertraute Nähe mit den Abgebildeten verwandelt.
Die Langsamkeit der Tätigkeit ermöglicht es der Autorin in stiller Kontemplation, fast meditativ, ihre Gedanken zu reflektieren und diese, Stich für Stich, auf dem Untergrund zu materialisieren. Der Faden wird dabei zum Instrument, um Inneres nach außen zu kommunizieren. Dabei hinterfragen die durch Selbstzweifel und Unsicherheit geprägten Gedanken den Konflikt, sich gesellschaftlichen Normen zu unterwerfen, um in seiner eigenen Identität durch gesellschaftliche Anerkennung bestärkt zu werden.